Jedes Casting ist eine Chance – die Gelegenheit, die Aufmerksamkeit von Casting Director*inne, Regisseur*innen und Produzent*innen auf sich zu ziehen. Doch was, wenn der Raum voller talentierter Schauspieler*innen ist, die alle das Gleiche wollen wie du? Die Frage, die sich vielen stellt, lautet:
Wie kann man sich in einer solchen Situation abheben, ohne sich dabei zu verstellen oder die eigene Authentizität zu verlieren?
Die Antwort liegt nicht darin, jemand anders zu sein, sondern darin, das Beste von sich selbst zu zeigen. In den folgenden Absätzen werden verschiedene Ansätze und Strategien aufgezeigt, die helfen, beim Casting aus der Masse hervorzustechen, ohne sich dabei zu verbiegen.
Allgemeine Informationen zum Casting findest du auch im Beitrag: Audition-Tipps: Erfolgreich in jedes Schauspiel-Casting
1. Die Bedeutung der Authentizität
Casting Director*innen sehen tagtäglich zahlreiche Bewerber*innen – das bedeutet, dass sie besonders sensibel dafür sind, ob jemand authentisch ist oder versucht, eine Rolle zu spielen, die nicht wirklich zu ihm oder ihr passt. Es mag verlockend erscheinen, sich an den Erwartungen des Regie-Teams zu orientieren, doch letztlich bleibt oft nur das im Gedächtnis, was echt ist. Schauspieler*innen, die sich treu bleiben, haben einen entscheidenden Vorteil: Sie zeigen, wer sie wirklich sind, und lassen den Casting-Verantwortlichen die Freiheit, zu entscheiden, ob dieser authentische Ausdruck zu der Rolle passt.
Ein häufiger Fehler ist, zu glauben, man müsse bestimmte Klischees erfüllen, um die Rolle zu bekommen. Doch dies führt oft zu einer zu glatten, unauffälligen Performance. Authentizität zeigt sich in der Verletzlichkeit, in der Bereitschaft, sich wirklich zu öffnen, und in der Fähigkeit, auf der Bühne oder vor der Kamera das eigene Ich durchscheinen zu lassen – selbst wenn es nicht perfekt ist. Sich nicht zu verstellen bedeutet, eine ehrliche Verbindung zur Rolle zu finden, die wirklich zu den eigenen Fähigkeiten und Stärken passt.
2. Der erste Eindruck zählt
Der Moment, in dem du den Castingraum betrittst, ist oft entscheidender, als viele glauben. Deine physische Präsenz, dein Auftreten und deine Ausstrahlung beeinflussen die Wahrnehmung des/der Casting Director*in, noch bevor du auch nur ein Wort gesagt hast. Selbstbewusstsein und eine natürliche Gelassenheit sind dabei zentrale Elemente. Es geht nicht darum, den Raum zu dominieren oder sich in den Mittelpunkt zu drängen, sondern eine authentische innere Ruhe und Sicherheit auszustrahlen. Diese Qualität kann sofort spürbar sein und dafür sorgen, dass der Fokus auf dich gelenkt wird.
Ein häufiger Fehler ist, sich von der Nervosität überwältigen zu lassen, was sich dann in kleinen Signalen wie unruhigen Bewegungen, unstetem Blickkontakt oder unsicherer Körpersprache zeigt. Auch erfahrene Schauspielerinnen sind vor Aufregung nicht gefeit, doch der Unterschied liegt in der Fähigkeit, diese Nervosität zu kontrollieren und in positive Energie umzuwandeln. Es hilft, sich bewusst zu machen, dass die Menschen im Raum nicht dein Gegner, sondern potenzielle Partnerinnen sind, die dich in einer Rolle sehen wollen. Wer diese Einstellung verinnerlicht, kann seine Präsenz nutzen, um sofort einen positiven Eindruck zu hinterlassen. Ein ehrliches Lächeln, Augenkontakt und eine offene Körpersprache machen oft mehr Eindruck als jede vorbereitete Rede. Der erste Eindruck sollte nicht nur professionell, sondern vor allem menschlich wirken – die Casting Directoren wollen jemanden sehen, der sich wohl in seiner Haut fühlt und mit Selbstbewusstsein, aber ohne Arroganz auftritt.
Darüber hinaus zeigt sich Selbstbewusstsein auch in der Art, wie du auf Anweisungen oder unerwartete Situationen reagierst. Eine Schauspieler*in, der*die offen und bereit ist, sich auf das Casting-Team einzulassen und flexibel zu agieren, beweist nicht nur Talent, sondern auch professionelle Reife.
3. Vorbereitung ist der Schlüssel, aber keine Überperfektion
Vorbereitung ist der wichtigste Schritt, um Selbstsicherheit zu gewinnen. Wer seinen Text nicht sicher hat oder nicht weiß, wie die Figur sich in der jeweiligen Szene verhält, läuft Gefahr, beim Casting ins Wanken zu geraten. Doch es gibt einen schmalen Grat zwischen einer soliden Vorbereitung und einem übertriebenen Perfektionismus, der oft die Spontanität und den Raum für echte Emotionen erstickt. Perfektion mag in vielen Bereichen des Lebens wünschenswert sein, beim Schauspiel kann sie jedoch dazu führen, dass die Performance steif und unlebendig wirkt.
Einer der größten Fehler, die viele Schauspielerinnen machen, ist es, den Text zu „spielen“, statt ihn wirklich zu leben.
Anstatt dich also nur auf den Text zu konzentrieren, solltest du dich fragen: Welche Erfahrungen bringe ich mit, die mich mit der Rolle verbinden? Wie kann ich authentisch auf die Situation reagieren, die im Drehbuch beschrieben wird? Dieses „Warum“ hinter der Szene ist entscheidend – und es macht den Unterschied zwischen einer soliden und einer außergewöhnlichen Performance.
Siehe auch: Rollenvorbereitung für Schauspielende
Dazu gehört auch, flexibel zu sein. Du musst in der Lage sein, auf unerwartete Regieanweisungen zu reagieren, ohne aus der Rolle zu fallen. Wenn du tief in die Figur eingetaucht bist, kannst du auf jede Herausforderung authentisch antworten. Diese Fähigkeit, vorbereitet zu sein, aber trotzdem locker zu bleiben, wird dir helfen, dich von der Konkurrenz abzuheben. Denn während andere steif ihren Text rezitieren, lebst du die Szene – und das bleibt in Erinnerung.
Es geht darum, den Charakter und die Szene tief zu verstehen, aber zugleich offen zu bleiben für Momente, die unerwartet sind. Schauspieler*innen, die sich zu sehr an eine starre Vorstellung von Perfektion klammern, laufen Gefahr, ihre Flexibilität und Fähigkeit zu verlieren, sich in der Situation frei zu bewegen. Wenn der/die Regisseur*in während des Castings nach einer spontanen Änderung der Szene fragt, ist es entscheidend, dass man sich auf diese neue Herausforderung einlassen kann, ohne dabei das innere Gleichgewicht zu verlieren.
4. Die eigene Nische kennen
Es gibt unzählige Schauspieler*innen, die zur gleichen Rolle vorsprechen, und es ist leicht, sich in dieser Masse zu verlieren. Aber genau hier liegt die Chance: Wenn du deine eigene Nische kennst und weißt, was dich einzigartig macht, kannst du das gezielt einsetzen. Anstatt dich in einen Typus zu pressen, den du vielleicht gar nicht erfüllst, solltest du dir überlegen: Was bringe ich in diese Rolle ein, das nur ich bieten kann?
Das bedeutet, sich mit den eigenen Stärken auseinanderzusetzen. Bist du besonders gut darin, subtile Emotionen zu vermitteln? Hast du eine außergewöhnliche Stimme oder einen speziellen Humor? All diese Aspekte, die vielleicht im Alltag beiläufig wirken, können dich von der Konkurrenz abheben. Es geht nicht darum, perfekt zu sein – es geht darum, deine Individualität zu kennen und zu nutzen.
Jeder Mensch ist einzigartig – und genau diese Einzigartigkeit ist eine wertvolle Ressource, die im Casting hervorgehoben werden sollte. Casting Director*innen suchen nicht nach einer Kopie von bereits bekannten Darsteller*innen, sondern nach neuen Gesichtern, die etwas Eigenes mitbringen. Ein Schauspieler oder eine Schauspielerin, der/die sich selbst genau kennt, kann gezielt die Merkmale betonen, die ihn oder sie besonders machen. Ob es sich dabei um eine spezielle Art zu sprechen, ein bestimmtes Bewegungstalent oder eine unverwechselbare Mimik handelt – diese Besonderheiten machen den Unterschied und lassen sich nicht künstlich herstellen.
Viele Bewerber*innen neigen dazu, diese Einzigartigkeit zu verstecken, weil sie glauben, es sei besser, sich an eine vorgegebene „Norm“ anzupassen. Doch in der Praxis fällt gerade das auf, was sich abhebt. Das bedeutet nicht, dass man übertreiben oder künstlich wirken sollte. Es geht vielmehr darum, sich der eigenen Stärken und Eigenheiten bewusst zu sein und sie zu nutzen, um der Rolle eine persönliche Note zu verleihen. In einem Meer von Bewerber*innen kann genau das den Unterschied machen. Dabei hilft es, sich zu fragen: Welche Rollenprofile liegen mir wirklich? Welche Facetten meiner Persönlichkeit kann ich in diese Rolle einbringen? Das gibt dir die Möglichkeit, dich klar zu positionieren und herauszustechen, ohne dass es aufgesetzt wirkt.
5. Subtile Kreativität statt „Aufdringlichkeit“
Es gibt einen schmalen Grat zwischen kreativem Ausdruck und Übertreibung. Viele Schauspieler*innen glauben, dass sie beim Casting durch extreme oder überdrehte Darstellungen auffallen müssen. Doch oft wirkt genau das gegenteilig. Casting Director*innen merken sofort, wenn sich jemand zu sehr bemüht, Aufmerksamkeit zu erregen. Was sie hingegen suchen, sind Schauspieler*innen, die die Rolle mit kleinen, kreativen Nuancen zum Leben erwecken, ohne dabei zu übertreiben.
Subtile Kreativität bedeutet, dass du dem Charakter etwas Eigenes gibst, ohne dabei aus der Rolle zu fallen. Das kann ein kleiner, unaufgeregter Ausdruck sein, eine interessante Betonung oder ein unerwarteter Moment der Stille. Wichtig ist dabei, dass diese Entscheidungen organisch aus der Figur und der Szene kommen und nicht wirken, als würdest du sie auf Biegen und Brechen einfügen, um „anders“ zu sein.
Ein Beispiel: Wenn eine Szene Traurigkeit erfordert, erwarten viele Casting Director*innen, dass diese Emotion offen und spürbar gezeigt wird. Doch was wäre, wenn dein Charakter in diesem Moment versucht, die Tränen zurückzuhalten? Diese inneren Kämpfe, die nur durch minimale Veränderungen in der Mimik oder durch Stille transportiert werden, machen den Unterschied. Du hebst dich ab, weil du der Szene eine neue, tiefere Dimension gibst – eine, die in Erinnerung bleibt, ohne aufdringlich zu wirken.
6. Emotionale Flexibilität
Ein weiteres wichtiges Element, um sich von der Konkurrenz abzuheben, ist die Fähigkeit, emotional flexibel zu sein. Casting Director*innen testen oft die Reaktionsfähigkeit und Flexibilität von Schauspieler*innen, indem sie Regieanweisungen mitten in der Szene ändern oder nach einer komplett anderen Interpretation einer Emotion fragen. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen: Während manche Bewerber*innen ins Stocken geraten oder ihren Text mechanisch abspulen, können wirklich gute Schauspieler*innen mühelos auf solche Herausforderungen reagieren.
Diese emotionale Flexibilität ist eng mit Authentizität verbunden. Es geht nicht darum, Emotionen auf Knopfdruck zu „spielen“, sondern zu zeigen, dass du in der Lage bist, innerhalb der Szene schnell und glaubwürdig zwischen verschiedenen emotionalen Zuständen zu wechseln. Eine Szene kann zum Beispiel mit Wut beginnen, doch plötzlich wird von dir verlangt, dass du diese Wut in leise Resignation verwandelst – und das in wenigen Sekunden.
Die Fähigkeit, dies authentisch und ohne spürbare „Umstellung“ zu tun, zeigt, dass du die Figur wirklich verstanden hast. Und es ist genau dieser Eindruck, den Casting Director*innen sehen wollen: Du bist nicht nur in der Lage, einen Text abzuarbeiten, sondern du bist emotional durchlässig und kannst spontan reagieren – ein wesentlicher Unterschied zu vielen anderen, die emotional statisch bleiben und nur eine Version der Rolle präsentieren.
7. Der richtige Umgang mit dem „Typus“
Jeder Schauspielerin hat einen bestimmten Typus, den er oder sie am besten bedient. Diesen Typus zu kennen und zu nutzen, ist ein grundlegender Aspekt deiner Karriere. Doch gleichzeitig kann dieser Typus auch zur Falle werden, wenn du dich ausschließlich auf ihn beschränkst und nicht zeigst, dass du auch darüber hinaus vielseitig bist.
Dein Typ ist das, was die Casting Director*innen oft auf den ersten Blick sehen. Vielleicht wirst du immer als der oder die „Lustige“ gecastet oder als „der Bösewicht“ wahrgenommen. Das ist nicht schlecht – im Gegenteil, es gibt dir eine klare Startposition. Aber um dich wirklich abzuheben, musst du Wege finden, deinem Typus eine zusätzliche Ebene zu geben.
Das bedeutet, dass du zwar den Anforderungen der Rolle gerecht wirst, aber gleichzeitig etwas Neues, Unerwartetes einbringst. Vielleicht bist du in der Lage, den typischen „Lustigen“ mit einem Hauch von Melancholie zu versehen oder dem „Bösewicht“ eine verwundbare Seite zu verleihen. Das Ziel ist, den Casting Director*innen zu zeigen, dass du nicht nur in eine Schublade passt, sondern flexibel genug bist, verschiedene Facetten einer Figur zu zeigen, ohne dabei deinen Grundtypus zu verleugnen.
Dieser Balanceakt, den Typ zu bedienen und gleichzeitig zu erweitern, sorgt dafür, dass du aus der Masse der Bewerber*innen hervorstichst. Du erfüllst die Erwartung, die mit deinem Typ einhergeht, aber du übertriffst sie auch, indem du etwas Unerwartetes lieferst – und das bleibt in Erinnerung.
Siehe auch: Rollenvielfalt und Typcasting: Strategien, um ein breites Rollenspektrum abzudecken
8. Nachbereitung des Castings
Der Moment, in dem du den Castingraum verlässt, ist genauso wichtig wie der, in dem du ihn betrittst. Viele Schauspieler*innen machen den Fehler, die Szene zu beenden, sich zu bedanken und dann schnell das Weite zu suchen, als hätten sie nur eine lästige Pflicht hinter sich gebracht. Doch auch das Ende des Castings bietet die Gelegenheit, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen – und zwar, ohne aufdringlich zu wirken.
Eine bewährte Methode ist es, ruhig und respektvoll zu bleiben, auch wenn du die Szene beendet hast. Ein aufmerksames Zuhören, wenn der/die Casting Director Anmerkungen gibt, und ein freundlicher, entspannter Abschied sind oft entscheidend. Es ist wichtig, dass du professionell, aber dennoch herzlich wirkst. Wenn die Möglichkeit besteht, eine kurze Rückfrage zu stellen, nutze sie – aber nur, wenn sie sich auf die Szene oder den Charakter bezieht und kein „Small Talk“ ist.
Auch nach dem Casting kannst du dich in Erinnerung bringen, indem du dich für die Chance bedankst. Hier ist es allerdings entscheidend, nicht übertrieben freundlich oder fordernd zu wirken. Eine kurze, professionelle Nachricht, in der du dich für die Gelegenheit bedankst und dich auf zukünftige Projekte freust, reicht aus. Casting Director*innen mögen es, wenn Bewerber*innen freundlich, aber unaufdringlich sind – so bleibst du im Gedächtnis, ohne dich aufzudrängen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, die eigene Performance nach dem Casting zu reflektieren, ohne dabei zu hart mit sich ins Gericht zu gehen. Und auch bei einer Absage ist es ratsam, sich dennoch freundlich und zuvorkommen zu verhalten. Wer weiß, wann der / die Person das nächste Casting abhält. Lerne aus dem Erlebten, aber vergiss nicht, dass es immer wieder neue Chancen geben wird. Mit dieser Haltung bewahrst du dir eine positive Einstellung und die nötige Energie für zukünftige Projekte.
Siehe Auch: Selbstbewusstsein Stärken: Strategien Für Schauspieler Zum Umgang Mit Casting-Absagen
Fazit
Das Casting ist eine Bühne für sich – doch es geht nicht darum, eine perfekte Version von jemandem zu sein, der du nicht bist. Ganz im Gegenteil: Der Schlüssel, um sich von der Konkurrenz abzuheben, liegt in der Authentizität. Es geht darum, selbstbewusst zu zeigen, wer du bist und was du in eine Rolle einbringen kannst, ohne dabei übertrieben oder aufgesetzt zu wirken.
Der erste Eindruck zählt, aber ebenso wichtig ist es, deine Nische zu kennen und diese im Casting bewusst zu nutzen. Tiefgründige Vorbereitung, die mehr als nur den Text umfasst, lässt dich in einer Rolle aufgehen und hebt dich von all denen ab, die nur das Oberflächliche liefern. Subtile Kreativität, emotionale Flexibilität und die Fähigkeit, deinen Typus zu erweitern, ohne ihn zu verlieren, sind ebenfalls entscheidend, um dich in einem Casting nachhaltig zu positionieren.
Was letztlich zählt, ist, dass du dich auf das verlässt, was dich als Mensch einzigartig macht – deine Erfahrungen, deine Gefühle und deine Art, eine Rolle zu verkörpern. Wenn du das verstehst und gezielt einsetzt, brauchst du dich nicht zu verstellen, um aufzufallen. Die Casting Director*innen merken, wenn sie jemanden vor sich haben, der oder die wirklich in einer Rolle aufgeht – und genau das wird dich von der Masse abheben.